1. Das Genrekino ist für die Massen, das Autorenkino für die Kenner
  2. Die Welt dreht sich um Hollywood
  3. 3-D erschliesst dem Kino eine neue Dimensio
  4. Das Internet wird zum allumfassenden Filmarchiv
  5. Das Kino ist tot

8. Film ist Kino, Kino ist Film

Mit «Kino» war einst unmissverständlich entweder a) der Vorführraum gemeint, in dem man sich – als Kinogänger eben – für einen gewissen Eintrittspreis Filme ansehen geht, oder b) die Institution samt ihren Berufen und Apparaturen, Normen und Werten. So legen manche etwa ausserordentlichen Wert darauf, dass Filme – Kinofilme eben – idealerweise wie vor einem halben Jahrhundert stets im Kino zu sehen sein sollten. Und zwar in einem «richtigen» Kino; nicht im Pantoffelkino, selbst wenn es zu einem «Heimkino» aufgemöbelt wird. Schliesslich komme es nicht von ungefähr, dass man vor einer Leinwand den Kopf hebe (voller Hochachtung nämlich) und ihn vorm Fernseher senke (in Unterhosen aufs Sofa gefläzt) … Wie verklärt diese Sichtweise ist, zeigt sich allein schon daran, dass heutzutage die meisten Filme ganz offensichtlich auch im Hinblick auf das Fernsehformat produziert werden. Allerdings hat die Verklärung einen guten Grund, ja den besten aller Gründe: die Liebe – zum Kino. Cinephilie genannt. […]

Sobald ich mir allerdings nüchtern meinen letzten Kinobesuch vor Augen, Ohren und Nase halte: den Werbeblock, die viel zu trübe Projektion, das seitlich blendende «Notausgang»-Schild, die viel zu laute Beschallung, den «lautlosen» Vibra-Alarm eines Handys, zweier Handys, etlicher Handys, die Pausenunterbrechung zum idiotischsten Zeitpunkt, das Geknister der Plastiktüten, den Geruch ihres Inhalts und das Getrampel eines Bengels gegen die Rückenlehne, die mir sonst ohnehin Nackenstarre verpasst hätte – wie lobe ich mir dann mein bescheidenes Heimkino. Vor allem, um mir bereits vertraute Filme erneut anzuschauen; wenn auch nicht, um zu ihnen aufzuschauen.

Aber was heisst da eigentlich «Filme»?!

Was in den Kameras «gedreht» wird, ist seit der Digitalisierung je länger, desto weniger ein Filmstreifen mit vierundzwanzig Bildern pro Sekunde – «vierundzwanzigmal die Wahrheit pro Sekunde», wie Godard feierlich verkündete. Vielmehr ist es High Definition Video. Und obwohl sich die Ergebnisse immer ähnlicher sehen, bedeutet dies: Anstelle von Spuren, die das Licht im Augenblick der «Belichtung» auf einer Filmemulsion hinterlassen hat, zeigt die Kinematografie (wie die Fotografie) zunehmend Pixel. Digitale Bildpunkte. Einsen und Nullen gewissermassen, die nicht mehr direktes «Abbild» einer Realität vor der Linse sind. In binären Gegensätzen denken denn auch die Cinephilen darüber. Entweder sie bejubeln die Digitalisierung als Demokratisierung, weil die kostspieligste Kunstform nun für jeden verfügbar wird, oder sie bejammern sie als Banalisierung, weil die Integrität des Filmbildes preisgegeben wird. In der Theorie zumindest. In der Praxis haben sich solche Gegensätze schon aufgelöst.